16. Mai 2023

Viele Frauen wissen nicht, dass sie an Endometriose leiden

Mindestens eine von zehn Frauen ist von Endometriose betroffen, welche starke Schmerzen während der Menstruation verursachen kann. Dass es sich dabei um eine chronische, behandelbare Krankheit handelt, wissen viele nicht.

Jeden Monat geht Annina K.* einmal durch die Hölle. Immer wenn ihre Menstruation einsetzt, weiss sie, was sie die nächsten Tage erwartet: unerträgliche Bauchschmerzen kombiniert mit mehrmaligem Erbrechen und Abgeschlagenheit. Mehrere Jahre des Leidens verstrichen, bis sie endlich eine Ärztin fand, die sie ernst nahm.

«Endometriose ist ein Leiden, bei dem Schleimhaut, die sich normalerweise innerhalb der Gebärmutter befindet, auch ausserhalb wächst und während der Menstruation starke Schmerzen hervorrufen kann. Grundsätzlich kennt man die Gründe dafür nicht. Eine Theorie geht davon aus, dass sie sich in der Embryonalphase entwickelt», erklärt Dr. med. Li Mei Koh, Oberärztin an der Frauenklinik des Kantonsspitals Baselland, KSBL. Ein erhöhtes Risiko liegt bei familiärer Häufung vor, ebenso wenn eine Frau sehr jung die Menstruation bekommt oder jeweils stark und lange blutet.

Die Gynäkologin hat sich auf diesem Gebiet spezialisiert und befasst sich intensiv damit. Dabei fällt ihr auf, wie häufig diese chronische Krankheit ist. «Man schätzt, dass 10% der Frauen und 50% der unfruchtbaren Frauen davon betroffen sind. Ich gehe davon aus, dass das eine zu tiefe Schätzung ist. Die Symptome sind relativ schlecht erkennbar und nicht immer eindeutig, was eine Diagnose erschwert.» Sie stellt zudem fest, dass viele Frauen nicht über die Symptome sprechen oder diese ignorieren und denken, damit leben zu müssen. «Es besteht ein fehlendes Bewusstsein für diese Erkrankung. Ich sage den Frauen immer, dass sie nichts zu verlieren haben. Wenn man merkt, dass die Schmerzen nicht normal sein könnten, sollte man es bei der Ärztin oder dem Arzt ansprechen.» Das KSBL bietet am Standort Liestal eine spezielle Endometriose- Sprechstunde an. Hier sind die Diagnosestellung und die weiteren Behandlungen aus einer Hand möglich.

Es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten
Endometriose gibt es in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen. Am häufigsten ist eine milde, oberflächliche Endometriose. «Es gibt aber auch ganz schwere Formen, bei denen das Gewebe in den Darm oder die Harnblase einwächst. Dies kann zu Schmerzen und Blutungen beim Wasserlassen oder Stuhlgang während der Mens führen», so Dr. Koh. Der Leidensdruck ist in diesem Fall sehr hoch. Sind die Eileiter betroffen, kann dies die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. «Wir haben Klassifizierungssysteme, die uns helfen, den Schweregrad einzustufen. Es ist aber so, dass die Stärke der Schmerzen nicht mit der Ausprägung der Endometriose zusammenhängen muss. Das erschwert die Diagnose beträchtlich.» So kann eine Frau mit einer milden Form trotzdem unter starken Schmerzen leiden oder unfruchtbar sein.

Die richtige Behandlung kann Abhilfe schaffen. Dr. Koh nennt die Schmerz- und Hormonbehandlungen auf der einen und die operativen Methoden auf der anderen Seite. Oft werden diese Therapien kombiniert. «Zu einer Hormonbehandlung gehören Verhütungsmittel wie die Pille oder eine Hormonspirale und die Gestagen-Pille. Damit lässt sich das Wachstum hemmen, die Periode stoppen und die Neubildung weiterer Endometrioseherde verhindern.» Leider lässt sich damit keine dauerhafte Heilung erreichen, denn nach Absetzen der Hormone kehren die Symptome zurück. Bei der operativen Methode handelt es sich um einen laparoskopischen Eingriff, bei dem mit kleinen Schnitten gearbeitet wird. «Dabei guckt man direkt in den Bauch hinein und sieht das Gewebe. Der Vorteil davon ist, dass wir eine genaue Diagnose machen und gleichzeitig eine Behandlung durchführen können.» Um die definitive Diagnose zu bestätigen, wird das entfernte Gewebe mikroskopisch untersucht.

Wirklich erlöst werden die Frauen von diesem Leiden erst, wenn sie in die Menopause kommen. «Die weiblichen Hormone stimulieren die Endometriose. Die Betroffenen müssen also viele Jahre damit leben.» Bei manchen kann eine Schwangerschaft Linderung verschaffen. «Der hohe Progesteronspiegel während der Schwangerschaft kann die Symptome der Endometriose lindern. Es gibt Frauen, die nach der Geburt fast symptomfrei sind. Das ist aber keine Behandlung, die wir empfehlen, wenn die Familienplanung nicht aktuell ist.»

Als Zusatztherapie können Physiotherapie, Akupunktur, Hypnose oder die traditionelle chinesische Medizin unterstützend wirken, so Dr. Koh. Auch Sport, Yoga, Pilates und eine ausgewogene Ernährung hätten eine positive Wirkung. «Die Frau sollte wissen, dass sie nicht alleine ist mit diesem Problem, ihren Körper gut kennenlernen und die Ernährung sowie Stress im Auge behalten. » Ansprechpersonen finden sich zudem bei der schweizerischen Endometriose- Vereinigung.


Leiden Sie während der Menstruation unter starken Schmerzen?
In der Endometriose-Sprechstunde des Kantonsspitals Baselland werden Frauen mit ihrem Problem ernst genommen und eingehend untersucht. Dazu gehört ein ausführliches Gespräch, gefolgt von einer gynäkologischen Untersuchung sowie einem Ultraschall. Bei Verdacht auf eine schwere Endometriose erfolgt ein MRI. Anschliessend erhält die Frau einen Vorschlag für einen individuellen Therapie-Plan.

> www.ksbl.ch/endometriose


 

Dr. med. (UK) Li Mei Koh
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
Oberärztin

Tel. +41 61 925 22 04
Mail


Dieser Beitrag ist im Mai 2023 im Magazin Regio aktuell erschienen.


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