Kardiologie

Interventionelle Therapie von chronischen Koronarverschlüssen (CTO)

Als CTO (chronic total occlusion) wird ein mindestens 3 Monate zurückliegender kompletter Verschluss einer Koronararterie bezeichnet. Die Beurteilung der Verschlussdauer erfolgt nach
bestmöglicher klinischer Einschätzung, basierend auf entsprechenden Veränderungen in EKGs, angiographischen Vorbefunden oder einem neuen positiven Stresstest.

Definition eines chronischen Koronarverschlusses (CTO)

  • Kompletter Koronarverschluss
    - Fehlender Blutfluss im verschlossenen Segment
    - Häufig antegrade und/oder retrograde Kollateralen
  • Verschluss-Dauer > 3 Monate
    - mit hoher Wahrscheinlichkeit klinisch und/oder angiographisch bestätigt

Häufigkeit und Bedeutung

CTOs kommen bei ca. 15-20% aller Patienten im Herzkatheterlabor vor. In der SYNTAX-Studie lag der Anteil an CTOs sogar bei 22-24%. Ein kompletter Gefässverschluss kann gelegentlich als klinisch stummes Ereignis ohne Myokardinfarkt ablaufen. Die vorausgehende kontinuierliche Zunahme einer Stenose führt nicht selten zur Ausbildung von Kollateralen. Das Versorgungsgebiet einer CTO kann durch diese Kollateralen aus dem ipsi- oder kontralateralen Koronarsystem überleben. Neben den angiographisch sichtbaren Kollateralen gibt es häufig auch Mikrokanäle (vgl. Bild), die mit keinem Bildgebenden Verfahren darstellbar sind. Unter körperlicher Belastung ist diese Versorgung aber häufig insuffizient was zu Ischämie und Angina pectoris führen kann. Wird ein viables Myokard und eine belastungsabhängige Ischämie nachgewiesen kann eine Wiedereröffnung des Nativgefässes Symptome und sogar das Überleben verbessern. Dazu gibt es mittlerweile viele Studien.

Indikation für eine perkutane Koronarintervention (PCI) bei einer CTO

Die Indikation zur Behandlung einer CTO wird immer noch uneinheitlich gesehen. Die meisten Interventionskardiologen vermeiden diese lang dauernden und kostenintensiven Eingriffe, die auch mit einer erhöhten Strahlenexposition
einhergehen. In einer grossen amerikanischen Datenbank (NHLBI Database) sind im Zeitraum von 1997 bis 2004 die Rekanalisationsversuche von CTOs sogar von 9,4 % auf 5,7 % der PCI zurückgegangen. Die zur Verfügung stehenden
Materialien und Techniken haben sich allerdings während der letzten Jahre deutlich weiter entwickelt, mit Erfolgsraten über 85 % in der Hand von erfahrenen Untersuchern. Zudem sind in den letzten Jahren vielversprechende Ergebnisse aus Interventionsstudien bei Patienten mit CTOs publiziert worden, die einen Benefit dieser Therapieoption bei geeigneten Patienten zeigen. In einer grossen multinationalen Studie mit 1’791 Patienten mit 1’852 CTOs und einem mittleren Beobachtungszeitraum von 2.9 Jahren konnte eine erfolgreiche Rekanalisation der CTO einen klaren Überlebensvorteil zeigen (vgl. Grafik).{Mehran:2011gn} Interessanterweise haben konventionelle perkutane Interventionen von signifikanten Koronarstenosen keinen Einfluss auf die Mortalität, sondern stellen eine rein symptomatische Therapie dar. Das zusätzliche Vorhandensein einer CTO hat v.a. auch bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt (STEMI) hat prognostische Bedeutung.{Claessen:2012cy}

Technische Aspekte

Materialien und Techniken haben sich während der letzten Jahre dramatisch weiter entwickelt. Viele Interventionen sind dadurch erst möglich mit Erfolgsund Komplikationsraten im Bereich der «normalen» PCI. Komplexe Prozeduren sind mittlerweile genau untersucht und standardisiert. CTO Verfahren erfordern typischerweise mehr Zeit und Ressourcen-Auslastung, aufgrund der grösseren Komplexität und längeren Interventionsdauer. Die durchschnittliche Interventionsdauer liegt in der Regel bei etwa 2-2.5 Stunden. Die Anzahl der Führungsdrähte, Ballon-Katheter und Stents ist meist höher als was gemeinhin für ein nicht-CTO PCI Verfahren verwendet wird. Begriffe wie antegrade oder retrograde Rekanalisation (vgl. Bild) oder die hybrid-Variante beider Strategien definieren berechenbare Rekanalisationstechniken. Neuste Materialien (Drähte), Werkzeuge (Microkatheter), Ballone (extrem dünne Profile) und Spezialsysteme (kontrollierte Dissektion, subintimale Drahtpassage, Reenty) haben im Bereich der CTO PCI neue Horizonte erschlossen. Von den Erfahrungen aus Interventionen bei Patienten mit CTOs profitiert auch die Erfolgsrate bei konventionellen Interventionen.

Situation im Kantonsspital Baselland

Seit Februar 2014 bietet das Katheterlabor in Liestal ein strukturiertes Programm für Patienten mit chronischen Koronarverschlüssen an. Am KSBL wurde 2014 bei 28 Patienten eine CTO erfolgreich rekanalisiert. Alle CTO-Interventionen am Standort Liestal werden in Registratur erfasst. Im Februar hat das KSBL den ersten international besuchten CTO Workshop in Zusammenarbeit mit Dr. H-J Büttner aus dem Universitäts-Herzzentrum Bad Krozingen durchgeführt. Weitere Workshops mit Teilnehmern aus der Schweiz folgen.

Für weitere Informationen wenden sie sich bitte an Dr. med. Gregor Leibundgut, Leiter Herzkatheterlabor, Kantonsspital Baselland, Standort Liestal