08. Dezember 2022
Frauenpower in der Medizin - Ärztinnen holen auf
Wenn eine Frau sich beruflich stark engagiert, kann dies für ihre Familienplanung zu einer Herausforderung werden. Dies gilt im Besonderen auch für Ärztinnen. Drei Beispiele von Kaderärztinnen am Kantonsspital Baselland (KSBL) zeigen, wie dies möglich ist.
1867 schloss die erste Frau an der Universität Zürich ihr Medizinstudium ab, und 1874 eröffnete Marie Heim-Vögtlin als erste Schweizerin eine Praxis. Nach anfänglichen Vorurteilen wurden mit den Jahren Ärztinnen immer selbstverständlicher. Während 1990 der Frauenanteil der Gesamtärzteschaft bei 22% lag, hat er sich bis heute verdoppelt. Am KSBL sind heute 50% der Führungspositionen von Frauen besetzt. Das liegt unter anderem daran, dass das KSBL die individuelle Entwicklung der Mitarbeitenden fördert und sich besonders dadurch auszeichnet, dass die Geschlechterfrage dabei nie gestellt wird. Ab Januar werden am KSBL drei Chefärztinnen tätig sein – das hat Seltenheitswert.
Dr. med. Christine Glaser
Eine der Kaderärztinnen des KSBL ist Dr. Christine Glaser, die sich auf dem Gebiet der Bauchchirurgie spezialisiert hat und als Co- Chefärztin sowie Standortleiterin Bruderholz tätig ist. Sie stand bereits im Operationssaal, als die Chirurgie noch eine Männerdomäne war. Heute sei das bei weitem nicht mehr so. «Wir haben ein gutes gemischtes Team, was ich sehr schätze. Bei uns in der Chirurgie liegt der Frauenanteil im Kader sogar bei fast 50%.» Mittlerweile sei klar geworden, dass es sich nicht um einen Kraftjob handle, vielmehr brauche es den Kopf und die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren. «Man muss sich gut organisieren, dann funktioniert auch das Privatleben. Dafür müssen alle Toleranz zeigen.» Erst als ihre heute erwachsene Tochter etwas grösser war, konnte sie ihre Karriere fördern. «Das war nicht einfach, aber dank der Unterstützung aus meinem Umfeld ging es gut.» Ihren Beruf kann Dr. Glaser jungen Frauen wärmstens empfehlen. Wichtig sei, sich nicht unterkriegen zu lassen. «Das selbstbewusste Auftreten gehört einfach dazu. Ohne das geht es nicht, denn sonst wird man in eine Ecke gedrängt.» Wenn eine Frau für ihre Ziele einstehe und sich auch einmal durchsetze, habe sie die gleichen Chancen.
Dr. med. Christine Glaser
Fachärztin für Chirurgie / Viszeralchirurgie / Spezialisierte Traumatologie (SGC und SO)
Co-Chefärztin Klinik Chirurgie & Viszeralchirurgie
Kantonsspital Baselland
Dr. med. Grit Vetter
Eine weitere Ärztin in Kaderfunktion ist Dr. Grit Vetter, Leitende Ärztin mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe in der Frauenklinik in Liestal. Ihre Leidenschaft für die Gynäkologie und Geburtshilfe entdeckte sie während des Studiums. Heute könnte sie sich keine andere Arbeit mehr vorstellen und schon gar nicht einen Bürojob. Dafür sei sie viel zu umtriebig, sagt sie mit einem Lachen. «Mir gefällt der Kontakt mit Menschen, der viel Schönes mit sich bringt. Die meisten Frauen sind einfach nur glücklich, wenn sie ihr Kind in den Armen halten.» Die Tätigkeiten rund um die Geburtshilfe sind vielfältig und erfordern viele Fähigkeiten. «Für diese Arbeit braucht es einerseits handwerkliches, aber auch psychologisches Geschick. Wenn während der Geburt ärztliche Hilfe nötig ist, kann ich mit wenigen Eingriffen viel bewirken. Wenn alles gut läuft, ziehe ich mich zurück, dann ist die Unterstützung der Hebamme wichtiger.» Dr. Vetter freut sich darüber, dass sie als Leitende Ärztin am KSBL arbeiten kann, denn sie schätzt den regionalen Charakter und die kurzen Wege. Auf die Frage, wie sie ihren 60%-Job mit dem Familienleben unter einen Hut bekommt, meint sie: «Es ist ein Spagat. Da mein Mann beruflich noch mehr eingespannt ist als ich, liegt das Organisatorische grösstenteils an mir. Das geht aber vielen so. Ich versuche das Beste daraus zu machen.»
Dr. med. Grit Vetter
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe / Operative Gynäkologie und Geburtshilfe
Leitende Ärztin
Tel. +41 61 925 22 08
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Dr. med. Michèle Voegeli
Als Leitende Ärztin in der Onkologie erlebt Dr. med. Michèle Voegeli viele schwierige, aber auch schöne Momente. Ihr gefällt die Vielfalt ihres Fachgebiets. «Ich habe sowohl mit Menschen zu tun, welche erst vor Kurzem ihre Diagnose erhalten haben, als auch mit solchen, die bereits schwer erkrankt sind. Bei solch schwierigen Situationen ist psychologisches Verständnis erforderlich. Mich fasziniert der wissenschaftliche und menschliche Aspekt an diesem Beruf», bringt sie es auf den Punkt. Man müsse Empathie mitbringen und nein, das sei keine frauenspezifische Eigenschaft, betont sie. «Das Wichtigste ist das Interesse am Menschen, der einem gegenübersitzt. Im Kontakt mit den Patientinnen und Patienten erfährt man automatisch etwas über das Privatleben, an das man anknüpfen kann. Das schafft eine Verbundenheit.» In diesem Beruf sei es wichtig, einen soliden Boden und ein gutes Umfeld zu haben. Der rasche medizinische Fortschritt auf diesem Gebiet mache die Arbeit noch interessanter, bedinge aber, dass sie sich laufend weiterbilden müsse. Die Karriere bis zur Leitenden Ärztin habe viel Einsatz von ihr verlangt, habe sich aber gelohnt. Sie ist überzeugt, dass Frauen mehr leisten müssen, um befördert zu werden.
Dr. med. Michèle Voegeli
Fachärztin für Medizinische Onkologie / Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin
Leitende Ärztin, Leiterin Onkologie
Stv. Leiterin Darmkrebszentrum
Tel. +41 61 925 27 10
Mail
Familienfreundliches Unternehmen
Das KSBL unterstützt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben/Familie und ist ein offiziell anerkanntes familienfreundliches Unternehmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit für Teilzeitarbeit und Jobsharing, auch in Kaderstellen.
Der Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe des Magazins Regio aktuell erschienen - Seite 40/41.
"Frauen"-Power?
Von Wilburg Keller Roth am 22.12.2022, 08:23 Uhr
Ein Blog wie dieser wirft viele Fragen auf: Welche Botschaft soll denn transportiert werden? Geht es um die Karriereprobleme von Frauen? Oder von Müttern? Psychologische Fähigkeiten ? oder medizinische Qualifikationen? Oder Leitungskompetenzen? Oder individuelle Biographien, Fähigkeiten und Entscheidungen?
Müssen Frauen wirklich (noch) mehr leisten? Ist es weiterhin selbstverständlich, dass der Beruf des Mannes Vorrang hat und "die frau" die Organisation der Kinderbetreuung trägt - neben ihrem beruflichen Engagement?
Da werden leider einige Vorurteile und bisherige soziale Gegebenheiten durch die Beiträge zementiert.
Und last not least wirken die Fotografien etwas lieblos, die Frauen müde und zerzaust. Das wird ja der Realität entsprechen...